Was zeichnet die Agrar- und Lebensmittelindustrie in Deutschland aus?
Zunächst einmal gibt es sehr viele mittelständische Unternehmen, die nicht selten familiengeführt sind und eine lange Tradition aufweisen. Manche von ihnen haben den Sprung in die Internationalisierung längst geschafft und weisen einen Exportanteil von 80 Prozent auf. Andere stehen an dieser Schwelle. Wir beraten sehr differenziert, weil wir die gesamte Wertschöpfungskette vom Produzenten bis zum Händler kennen. Allerdings fällt auf, dass viele produzierende Unternehmen eine schwache Liquidität und Ertragssituation aufweisen – etwa, weil steigende Löhne und hohe Energiekosten nicht an Auftraggeber weitergegeben werden können. Dazu muss man sich den gesamten Markt vorstellen: Hier verhandeln viele mittelständische Unternehmen mit wenigen großen Handelskonzernen. Insofern sind die Verhandlungsmöglichkeiten der Produzenten begrenzt. Auf der anderen Seite kann der Handel auf viele dieser Produzenten gar nicht verzichten. Sie sind also systemrelevant. Wir erleben vermehrt, dass die Verhandlungsposition einzelner Produzenten wieder erstarkt.
Welche Rolle spielen die Regularien der Politik?
Die Agrar- und Lebensmittelindustrie ist eine der am stärksten regulierten Branchen. Jede Änderung kann unter Umständen massive Auswirkungen haben. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Einführung des Mindestlohns in der Fleischwirtschaft, welcher die Branche regelrecht durcheinandergewirbelt hat. Ähnlich sind die Auswirkungen des Lieferkettengesetzes, das auch für viele kleinere und mittelständische Unternehmen eine große Wirkung entfacht, denn sie müssen ihre Wertschöpfungskette komplett rückverfolgen können. Übrigens ist es auch schwierig, neue Investitionen zu planen, wenn immer wieder neue Regularien aufkommen – man weiß ja gar nicht, ob ein neues Werk in der geplanten Weise über längere Zeit betrieben werden kann.
Wie stellt sich die Situation des Handels dar?
Es ist interessant, in welcher Weise das Aufkommen von Online-Diensten die Situation verändert. Traditionell ist es in Deutschland nur sehr schwer möglich, Preisanstiege im stationären Handel durchzusetzen. Jetzt stellen wir aber fest, dass der Verbraucher bei Online-Bestellungen (inkl. Lieferung) von Lebensmitteln tatsächlich höhere Preise akzeptiert. Insofern eröffnet sich hier eine riesige Chance für datengetriebene Lösungen. Zugleich verfügen die großen Handelsunternehmen bereits über große Datenmengen rund um das Einkaufsverhalten der Kunden, die aber bislang kaum genutzt werden – und das, obwohl man auf dieser Basis neue Umsatzpotentiale erschließen könnte. Viele Unternehmen tun sich hier aber schwer. Wir helfen ihnen umfassend mit dem Aufbau einer wirksamen Digitalstrategie.