Aktuelle Verian-Studie: Finanzierung für die Hälfte der deutschen Automobilzulieferer große Herausforderung / Branche in Restrukturierung
12. November 2024
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Jeder Vierte (28 Prozent) befragte Zulieferer plant eine Restrukturierung noch im laufenden Jahr oder führt diese bereits durch. Aufgrund der Erwartung vermehrter Insolvenzen bei gleichzeitig anstehendem Finanzierungsbedarf bereiten sich die Automotive-Unternehmen im Vergleich zu anderen Branchen auffällig intensiver auf eine restriktivere Kreditvergabe vor.
- Sektor-Vergleich: Kein Maschinenbauer oder Konsumgüterhersteller sieht bei der Refinanzierung „sehr große“ Herausforderungen
- Glaubhafte Maßnahmen gegen Arbeitskräftemangel werden relevante Argumente für künftige Finanzierungen
- Zulieferer gehen mit einer Vielzahl an Maßnahmen die Herausforderungen an – kein „Kopf in den Sand“
40 Prozent der befragten Unternehmen rechnen in den kommenden Monaten mit mehr Insolvenzen als in den Vorjahren, 12 Prozent davon mit „deutlich“ mehr. Einer von vier Zulieferern (24 Prozent) prognostiziert für die nächsten zwei Jahre eine „Insolvenzwelle“, die Hälfte davon sieht sie schon jetzt. Die meistbenannten Risiken: Straffere Kreditvergaben (67 Prozent), der mittelfristige Verlust signifikanten Umsatzvolumens aufgrund der Insolvenz von Kunden (50 Prozent) und das Einbrechen von etablierten Lieferketten (25 Prozent).
„Für eine große Anzahl an Unternehmen in der Automobilzulieferindustrie stehen in kurzer bis mittlerer Frist wesentliche Refinanzierungen an“, sagt Ralf Winzer, Senior Partner und Vorstand bei FTI-Andersch, der auf Restrukturierung, Business Transformation und Transaktionen spezialisierten Beratungseinheit von FTI Consulting in Deutschland. 28 Prozent der befragten Unternehmen müssen relevante Finanzierungen bis Ende 2025 abgeschlossen haben, für jeden fünften (18 Prozent) Automobilzulieferer geht es 2026 in die Verhandlungen. 45 Prozent bezeichnen diese Refinanzierungen als mindestens „große“, 14 Prozent sogar als „sehr große“ Herausforderungen.
Jeder dritte Zulieferer in der Restrukturierung ordnet seine Finanzen neu
„Im Vergleich zu den anderen von uns befragten Branchen bereiten sich die Zulieferer im Automobilbereich gerade deutlich intensiver auf die Refinanzierungen vor“, sagt Ralf Winzer. „Das müssen sie auch, denn die Wachstumsprognosen für ihre Branche sind durchweg mau. Dies wird zu erkennbar höheren Finanzierungskosten führen.“ So hat kein einziges befragtes Unternehmen aus den Sektoren Maschinenbau und Konsumgüter die Herausforderungen in der Finanzierung als „sehr groß“ bezeichnet.
Jeder dritte (30 Prozent) Autozulieferer, der gerade eine Restrukturierung durchführt oder sie kurzfristig plant, will dabei auch die Finanzen neu ordnen. Zum Vergleich: In der Konsumgüterindustrie machen oder planen das nur 16 Prozent, im Maschinenbau nur zehn Prozent. Auch sehen 35 Prozent der Automobilzulieferer die Verfügbarkeit und Kosten von Fremdkapitalfinanzierungen für eine erfolgreiche Restrukturierung als wesentliche Herausforderung an. Bei den Maschinenbauern sagen dies nur 16 Prozent, im Bereich Konsumgüter sogar nur sechs Prozent.
„Wachstumsprognosen, Nachfrage, Energiepreise, der chinesische Markt, der Durchhänger beim Absatz von Elektroautos – es ist wirklich schwer, gerade positive Nachrichten in der Automobilbranche zu entdecken“, sagt Ralf Winzer. Hinzu kommen: Arbeitskräftemangel (größtes Problem, sagen 88 Prozent), Inflation sowie unzureichende Weitergabe dieser gestiegenen Kosten (sagen jeweils 60 Prozent) und grundsätzliche Probleme beim Standort Deutschland (sagen 42 Prozent). Ralf Winzer sagt: „Was mich auf Basis der erhobenen Daten aber auch meiner subjektiven Beobachtung im Markt trotzdem verhalten optimistisch stimmt: Obwohl die Stimmung so schlecht ist, stecken viele Unternehmen nicht den Kopf in den Sand. Sondern sie gehen diese ganzen Probleme, so geballt sie auch erscheinen mögen, direkt an.“
Intensivere Kommunikation mit den Finanzierern und Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel
Im Kontext der Refinanzierungen bedeutet das: 72 Prozent der Unternehmen haben angegeben, die Kommunikation mit ihren Finanzierern zu intensivieren (vgl. Maschinenbau: 52 Prozent, Konsumgüter: 41 Prozent). Um die Eigenkapitalbasis zu stärken haben alle Zulieferer (100 Prozent), die aktuell in einer Restrukturierung sind, angegeben, Kosten in den Betriebsabläufen zu sparen. 67 Prozent wollen die Kosten im Einkauf senken, jeweils 56 Prozent arbeiten an einem verbesserten Cash Management und stellen Investitionsvorhaben zurück. Fast die Hälfte (44 Prozent) will Bereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören, veräußern oder sogar schließen.
Jedes dritte Unternehmen in der Restrukturierung will Personal abbauen. „Dieser Part ist jedoch heute besonders heikel“, sagt Ralf Winzer. Denn Arbeitskräftemangel ist von allen Unternehmen als die größte Herausforderung benannt worden. „Wer heute größere Teile seiner Belegschaft entlässt, muss davon ausgehen, diese Verluste bei besserem Geschäftsverlauf nicht mehr ausgleichen zu können. Das ist auch der wesentliche Grund, warum die Rezession bisher kaum in der Lebensrealität der Gesellschaft angekommen ist, auch wenn die Nachrichtenlage seit Monaten so düster ist.“
Um trotzdem Möglichkeiten zu finden, mit weniger Personal auszukommen, arbeiten neun von zehn Unternehmen an Möglichkeiten, die gleichen Aufgaben mit weniger Menschen zu bewältigen. Die Hälfte (50 Prozent) arbeitet an der Modularisierung und Standardisierung von Produkten, 42 Prozent an Automatisierung und 38 Prozent will mit Künstlicher Intelligenz Arbeitskosten senken. Ralf Winzer: „Wir sind in einer Phase, in der sich die Unternehmen erst an die neue Situation auf dem Arbeitsmarkt gewöhnen müssen. Auch wenn sie sich attraktiver vermarkten oder noch besser ihre Belegschaft binden – sie befinden sich trotz allem in einem schrumpfenden Markt und damit in einem Verdrängungswettbewerb. Gerade auch für Finanzierer wird künftig von entscheidender Bedeutung, inwieweit Unternehmen der Automobilindustrie in diesem Arbeitsmarkt glaubhaft ihre Überlebens- und Wachstumsfähigkeit beweisen können. Dies zu belegen, wird eine der wesentlichen Herausforderungen für die nächsten Jahre sein.“
Über die Untersuchung von Verian:
Das Marktforschungsunternehmen Verian (früher: Kantar Public) hat im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch im Rahmen der Studie ‚German Economic Pulse 2024‘ 200 Unternehmen in Deutschland aus den Branchen Automobil, Maschinen- und Anlagenbau, Konsumgüter und Handel telefonisch zu aktuellen Themenstellungen um wirtschaftlichen Ausblick, Restrukturierung, Insolvenzen, Refinanzierungen und sonstigen strukturellen Herausforderungen befragt.
Der Umsatz der Unternehmen beträgt mindestens 50 Mio. Euro. Rund ein Viertel der befragten Unternehmen erwirtschaften im Jahr mehr als 500 Mio. Euro.
Über FTI-Andersch:
FTI-Andersch ist eine Unternehmensberatung, die ihre Mandanten in der Entwicklung und Umsetzung tragfähiger Zukunfts-/Performance- sowie Restrukturierungskonzepte unterstützt. FTI-Andersch begleitet aktiv Unternehmen, die sich mit operativen oder finanzwirtschaftlichen Herausforderungen und Veränderungsprozessen beschäftigen müssen – oder frühzeitig Geschäftsmodell, Organisation und Prozesse zukunftsfähig ausrichten möchten.
Zu den Mandanten zählen insbesondere mittelständische Unternehmen und Konzerne, die international agieren. FTI-Andersch ist Teil der FTI-Consulting-Gruppe (NYSE: FCN) mit mehr als 8.000 MitarbeiterInnen weltweit.
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- Ralf Winzer
Senior Partner & Vorstand