Blockchain: Welchen Mehrwert die Technologie Ihrem Unternehmen bietet
18. März 2021
- Neue Insights
Frankfurt am Main, 18.03.2021. Blockchain-Technologien nutzen bisher nur 3% der mittelständischen (Familien-)unternehmen. Das hat eine Untersuchung von 1.444 deutschen Unternehmen im Auftrag der Unternehmensberatung FTI-Andersch ergeben. Der Grund: Unwissen, komplexe Implementierung und fehlende vorhandene Lösungen. Professor Gilbert Fridgen, Inhaber des PayPal-Lehrstuhls an der Universität Luxemburg sowie Gründer des Fraunhofer Blockchain Labors, und Dorothée Fritsch, Blockchain-Expertin von FTI-Andersch, geben eine Einschätzung für relevante Schlüsselbranchen ab: Logistik, Konsumgüter, Automobil, Maschinenbau und Energie. Wo steht Deutschland – und welche Chancen bieten sich heute?
Logistik / Reifegrad: Note 5/5
Wichtigste Herausforderung: Komplexität der Implementierung
Größte Stärke: Reifegrad verfügbarer Blockchain-Lösungen
„In keiner Branche sind Blockchain-Anwendungen schon so weit entwickelt wie in der Logistik“, sagt Prof. Dr. Gilbert Fridgen. „Das liegt daran, dass die Branche die heute wohl stärkste digitalisierte Industrie der Welt ist. Seit jeher gibt es die Herausforderung, eine Vielzahl an Akteuren zu koordinieren, ohne zentrale Anlaufstellen zu haben. Diese Herausforderungen macht sie auch für die Blockchain sehr interessant.“ Koordination findet aber auch heute noch vielfach in Papierform statt. Auf Formularen vermerken die beteiligten Logistikpartner die aus ihrer Sicht relevanten Informationen zur Übergabe beim nächsten Akteur. „Diese Zettelwirtschaft ist keineswegs fälschungssicher und auch abseits von mutwilliger Manipulation sehr fehleranfällig“, sagt Dorothée Fritsch, Blockchain-Expertin bei FTI-Andersch. „Aus technischer Sicht handelt es sich um ein komplexes Optimierungsproblem, für das die Blockchain wie gemacht erscheint: Fälschungssicher wird dezentral Schritt für Schritt der Fortschritt im Transport dokumentiert. Am Markt gibt es bereits eine Vielzahl an weit entwickelten Lösungen, die zum Einsatz kommen. Blockchain-Dokumentation wird für Logistik und Supply Chain Management mittelfristig zum Gold-Standard werden.“
Konsumgüter / Reifegrad: Note 4/5
Wichtigste Herausforderung: Anbietermarkt sehr intransparent
Größte Stärke: Keine relevanten Blockchain-Alternativen
Die Vorteile für die Konsumgüter- und Lebensmittelindustrie liegen auf der Hand: Lückenlose Nachverfolgbarkeit der Qualität von sensiblen Produkten bis hin in einzelnen Ingredienzen, die weltweit eingekauft und verarbeitet werden. Gilbert Fridgen sagt: „Die Relevanz von Blockchain ist allein dadurch gegeben, dass es der Konsumgüterindustrie bis heute nicht gelungen ist, wirklich funktionierende Qualitätssicherungssysteme zu etablieren. Viele sehen darum die Chance, mit einem hundertprozentig sicheren und technisch vergleichsweise einfachen Verfahren künftig dem Kunden nicht nur ein beweisbares Qualitätsversprechen geben zu können – sondern auch die Prozesskosten zu senken. Der Anbietermarkt für Blockchain-Lösungen ist jedoch sehr intransparent und damit missbrauchsanfällig. Das hält viele vor allem mittelständisch geprägte Akteure davon ab, das Thema zu vertiefen.“ „Über die Hälfte der deutschen Konsumgüterhersteller fühlen sich über das Blockchain-Angebot nicht ausreichend informiert“, sagt Dorothée Fritsch. „Es ist die Aufgabe von Analysten und Beratern, hier Transparenz zu schaffen und die zur Verfügung stehenden Lösungen zu bewerten, um die Spreu vom Weizen zu trennen. Gerade Mittelständler wollen oft weder auf Lösungen von internationalen Weltkonzernen setzen, aber auch nicht auf unbekannte ‚Brands‘. Hier benötigen sie häufig Unterstützung Dritter, da sie die Bewertungen technisch, inhaltlich und wirtschaftlich selbst nicht in dieser Tiefe vornehmen können.“
Automobil / Reifegrad: 4/5
Wichtigste Herausforderung: Blockchain parallel zu den anderen großen Herausforderungen der Industrie angehen
Größte Stärke: Immenser Innovationsdruck seitens des Marktes
Dorothée Fritsch sagt: „Kaum eine Branche steht vor einer solch umfassenden Transformation wie die Automobilindustrie. Schwerpunkte dort sind unter anderem die Themen Elektrifizierung und CO2 – Blockchain ist zwar auf dem Radar, auf der Prioritätenliste aber bei vielen deutlich weiter hinten einzuordnen. Dabei wäre zu empfehlen, das Thema gleichzeitig zur Veränderung der Antriebsarchitekturen zu implementieren – um wirklich neue Produkte aus einem Guss zu entwickeln.“ „Ein spannendes Anwendungsfeld für Blockchain ist das Thema ‚Car Security‘“, sagt Gilbert Fridgen. „So ließe sich zum Beispiel virtuell ein absolut sicherer Schlüssel an einen Dritten übertragen, der temporär das Fahrzeug bewegt. Auch die Fahrzeugdaten lassen sich fälschungssicher speichern: Veränderte Laufleistungen bei der Wiederverwertung gehören damit der Vergangenheit an. Anwendung finden Blockchain-Anwendungen zum Beispiel schon im Bereich des automatisierten Zahlens für öffentliche Parkplätze. Automobilhersteller und -zulieferer sollten solche Chancen jetzt frühzeitig evaluieren, um damit dem Innovationsdruck in ihrer Branche gerecht zu werden.“
Maschinenbau / Reifegrad: 3/5
Wichtigste Herausforderung: Lösungen oft noch nicht weit genug entwickelt – weil bisher der unmittelbare Anreiz fehlte
Größte Stärke: Es gibt kein ausreichendes Angebot an alternativen Lösungen
„Im deutschen Maschinenbau spielt die Blockchain bisher in der Praxis so gut wie keine Rolle“, sagt Gilbert Fridgen. Der Grund: Viele Maschinen arbeiten zwar heute auch digital, sind aber noch lange nicht ‚smart‘. „Es ist nach wie vor viel Handarbeit bei der Bedienung der Maschinen notwendig. Eine erste Generation wirklich ‚smarter‘ Produktionsanlagen ist überwiegend noch in Entwicklung. Bei diesen ließen sich durch die Blockchain künftig ihre Tätigkeit manipulationsresistent protokollieren.“ Dorothée Fritsch sagt: „In den meisten Fällen kaufen Unternehmen bis heute ihre Produktionsanlagen und schreiben sie im Anschluss ab. Das Modell ‚Rent a machine‘ steckt noch in den Anfängen. Wenn sich das stärker durchsetzt, können Blockchain-Technologien nicht nur die Protokollierung, sondern eine saubere Abrechnung sicherstellen.“ „Man muss konstatieren, dass ein Vertrauens-Thema wie in der Logistik oder der Konsumgüterindustrie heute im deutschen Maschinenbau nicht bestehen“, sagt Gilbert Fridgen. „Wer dort eine Maschine kauft, der bringt dem jeweiligen Hersteller ein hohes Vertrauen entgegen. Dementsprechend wurden bisher auch nicht ausreichend viele Anwendungen mit der Blockchain-Technologie entwickelt, die ihr hier schon zu einer Art Durchbruch hätten verhelfen können. Wir schätzen, dass zunächst weitere Veränderungen in der Industrie notwendig sind, bevor Blockchain eine essenzielle Rolle spielen wird.“
Energie / Reifegrad: 2/5
Wichtigste Herausforderung: Regulierung macht Anwendungen in Deutschland und Europa nahezu unmöglich
Größte Stärke: Als Exporttechnologie in weniger regulierte und entwickelte Märkte ein Produkt, das China oder die USA so nicht anbieten
„Es ist schon eine reizvolle Idee, sicher und automatisiert mit der eigenen Photovoltaik-Anlage direkt an einen Dritten Strom verkaufen zu können“, sagt Gilbert Fridgen. „Fakt ist jedoch: Die technischen Möglichkeiten gibt es. Aber der regulatorische Rahmen lässt es in den westlichen, hochentwickelten Energiemärkten gar nicht zu. Darum spielt Blockchain für die Energie-Branche in Deutschland bisher kaum eine Rolle.“ „Spannend wird es jedoch, wenn man sich weniger entwickelte Märkte ohne Energie-Oligopole wie zum Beispiel in vielen Ländern Afrikas anschaut“, sagt Dorothée Fritsch. „Dort ist es nicht gelungen, eine zentrale Infrastruktur zur sicheren Energiebereitstellung zu entwickeln. Gerade hier könnten sich Peer-2-Peer-Verfahren, also der direkte Handel zwischen zwei Privatpersonen, wirklich lohnen. Deutsche Unternehmen sollten überprüfen, welche Exportchancen sich dadurch für sie ergeben. Denn Blockchain ist vor allem eine europäische Technologie mit der Idee von dezentraler Datensicherheit. Das passt weder zum zentralistisch organisierten China, noch zur Plattform-Ökonomie Kaliforniens. Darum sollte die deutsche Wirtschaft heute die Chance ergreifen, in den weniger regulierten Märkten Geschäft zu entwickeln.“
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Über die Untersuchung:
Die Untersuchung ‚Reifegrad der Blockchain-Technologie in deutschen Schlüsselbranchen: 5 Fallstudien aus dem deutschen Mittelstand‘ ist eine Zusammenarbeit des Paypal-FNR PEARL Lehrstuhls (Inhaber: Prof. Dr. Gilbert Fridgen) und der Unternehmensberatung FTI-Andersch. Die vollständigen Daten sowie die Veranschaulichung von Anwendungsbeispielen können Sie hier herunterladen:
Über FTI-Andersch:
FTI-Andersch ist eine Unternehmensberatung, die ihre Mandanten in der Entwicklung und Umsetzung tragfähiger Zukunfts-/Performance- sowie Restrukturierungskonzepte unterstützt. FTI-Andersch unterstützt aktiv Unternehmen, die sich mit operativen oder finanzwirtschaftlichen Herausforderungen beschäftigen müssen – oder frühzeitig Geschäftsmodell, Organisation und Prozesse zukunftsfähig auszurichten möchten.
Zu den Mandanten zählen insbesondere mittelständische Unternehmen und Konzerne, die international agieren. FTI-Andersch ist Teil der international agierenden FTI-Consulting-Gruppe (NYSE: FCN) mit mehr als 5.500 MitarbeiterInnen.
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- Dorothée Fritsch
Head of Business Development & Strategy