Diese drei Fragen sollten Banker Unternehmen, die in Deutschland tätig sind, jetzt stellen
26. September 2023
- Neue Insights
Im vergangenen August hatte Russland Europa den Gashahn zugedreht und am 1. Januar wurde auch der deutsche Importstopp für russisches Öl wirksam. Das führte in Deutschland zu großer Besorgnis vor einem harten Winter. Doch dank des ungewöhnlich milden Wetters und der Nutzung anderer Energiequellen blieben die Preise auf einem niedrigeren Niveau als angenommen – eine nationale Energiekrise konnte dadurch abgewendet werden. Für den Winter 2023/24 wird jedoch erwartet, dass sich die Temperaturen wieder im Normalbereich bewegen werden. Deutsche Unternehmen, die sich in falscher Sicherheit wiegen, könnten sich somit unvorbereitet mit Energieengpässen und Preiserhöhungen konfrontiert und in ihrer Existenz bedroht sehen.
Für die Geschäftsführung stellen die gemischten Konjunktursignale aus Deutschland eine zusätzliche Herausforderung dar. Während Minister der Bundesregierung das Energieproblem für gelöst erklären,¹ sehen einige prominente WirtschaftsvertreterInnen das ganz anders.² Gleichzeitig verzeichnet Deutschland im ersten Halbjahr 2023 einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen um mehr als 15 Prozent, wobei die erhöhten Energie- und Materialkosten als hauptsächliche Gründe genannt werden.³ Ein weiteres Problem ist unverändert die bestehende Inflation.⁴
Der trübe Wirtschaftsausblick schafft eine komplexe Situation für Banken, die bei der Berechnung des Finanzierungsrisikos für ihre Kunden jetzt differenzierter vorgehen müssen. Während es letztes Jahr noch genügte, die Geschäftsleitung zu fragen, welche Pläne sie für die bevorstehende Energiekrise im Winter habe, ist das mit Blick auf die Zukunft nicht mehr so einfach. Banken müssen jetzt sorgfältig die Bilanzen prüfen, um herauszufinden, wie Unternehmen sich für eine potenzielle Energieknappheit nicht nur in diesem Jahr, sondern auch langfristig absichern wollen.
Die folgenden drei Fragen sollten Banken ihren Kunden stellen, um herauszufinden, ob sie langfristig gewappnet sind:
Können Sie Ihren Energieverbrauch nach Segmenten aufschlüsseln?
Im Idealfall sollten alle Unternehmen eine mittel- oder langfristige Strategie zur Verringerung ihrer Energieabhängigkeit haben. Dies ist jedoch häufig nur in großen Konzernen durchführbar. Eine realistischerer Ansatz besteht darin, den Prozentsatz des zukünftigen Energieverbrauchs zu ermitteln, der auf die Produktionsprozesse und jenen, der auf die Beheizung sowie Kühlung der Maschinen und Anlagen entfällt.
Die Kenntnis des zukünftigen prozessbezogenen Energieverbrauchs ist ein wichtiges Planungskriterium, da es im Gegensatz zur Energie, die zur Heizung oder Kühlung einer Anlage verwendet wird, beim Betrieb schwerer Maschinen nur begrenzte Möglichkeiten für laufende Anpassungen gibt. Der Heiz- und Kühlenergieverbrauch lässt sich hingegen leicht beeinflussen, indem das Thermostat ein paar Grad höher oder tiefer gestellt wird.
Ebenso sollten deutsche Unternehmen mit der Energieaufteilung ihrer Lieferanten und Ausrüstungslieferanten vertraut sein. Dies gilt insbesondere für energieintensive Branchen (wie das produzierende Gewerbe), die von komplexen Lieferketten abhängig sind. Es empfiehlt sich ebenfalls, den Energieverbrauch und -bedarf der Zulieferbetriebe ihrer Lieferanten zu kennen.
Wie sehen Ihre finanziellen Rahmenbedingungen und Prognosen aus?
Etablierte Unternehmen haben normalerweise kaum Probleme mit dem täglichen Cash-Management. Allerdings können wiederholte jährliche Defizite häufig Vorboten einer Verschlechterung sein. Gibt es Schwierigkeiten mit der Kostenstruktur? Schmälern unerwartete Energiekosten die Gewinne? Oder liegen die Ursachen für den Verlust woanders?
Hängt das Problem mit explodierenden Kosten zusammen, sollten Unternehmen versuchen, die Preise mit ihren Kunden – selbst bei langfristigen Festpreisverträgen – neu zu verhandeln. Beispielsweise könnten einem Maschinenbauer, der normalerweise 100.000 Euro für eine Maschine in Rechnung stellt, bei stark steigenden Energiepreisen Zusatzkosten von 4.000 Euro entstehen. Viele deutsche Unternehmen sind zögerlich, wenn es darum geht, bei ihren Kunden eine Anpassung des endgültigen Maschinenpreises zur Deckung der zusätzlichen Energiekosten anzusprechen. Banken sollten nachhaken, warum sie das nicht tun. Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass Kunden die gesamten Mehrkosten übernehmen, aber eine Übernahme von 50 Prozent ist durchaus angemessen und zumutbar.
Wie sehen die finanziellen Auswirkungen aus und wie werden diese kompensiert?
Aufgrund der unberechenbaren Energiepreise erwägen viele deutsche Betriebe eine Umrüstung ihrer Produktionsprozesse, um Effizienz und Kosten zu optimieren. Eine Möglichkeit hierfür besteht darin, ältere Maschinen durch modernere, energieeffizientere Modelle zu ersetzen. Alternativ entscheiden sich viele auch für die Auslagerung bestimmter Produktionsprozesse. Dabei ist es von größter Bedeutung, die Qualität und Kostenkontrolle sowie den zeitlichen Aufwand für Umrüstungen zu berücksichtigen. Die zentralen Fragen sind hierbei: Können die neuen Maschinen oder Dienstleister die Bauteile in der gleichen hohen Qualität wie die älteren Modelle herstellen und dies zeit- und kostenkonform gewährleisten?
Die laufenden Dekarbonisierungsmaßnahmen könnten deutsche Unternehmen zusätzlich dazu veranlassen, ihre Produktionsprozesse anzupassen. 2019 verabschiedete die Bundesregierung ein umfassendes neues Klimaschutzgesetz, mit dem die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent bis 2030 und um 88 Prozent bis 2040 reduziert werden sollen. In diesem Gesetz ist festgelegt, dass bis zum Jahr 2045 Netto-Treibhausgasneutralität und bis 2050 negative Treibhausgasemissionen erreicht werden.⁵ Alle in Deutschland ansässigen Unternehmen sind zur Erfüllung dieser Vorgaben verpflichtet.
Banken sollten bei ihren Unternehmenskunden deshalb abfragen, welche Vorbereitungen sie zur Einhaltung der Fristen treffen und ob sie ESG-Maßnahmen für die Emissionen aus direktem Energieverbrauch (Scope 1), indirektem Energieverbrauch (Scope 2) sowie den Emissionen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette (Scope 3) ergriffen haben.⁶ Eine Option, die Unternehmen zur Erfüllung ihrer CO2-Reduktionsziele bereits nutzen, ist der Erwerb von Ausgleichszertifikaten über das EU-Emissionshandelssystem, das nach dem „Cap-and-Trade“-Prinzip funktioniert.⁷
Das Thema Energieeffizienz und CO2-Fußabdruck ist für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau nicht neu. Bereits vor einigen Jahren hat der Industrieverband VDMA die Initiative „Blue Competence“ ins Leben gerufen.⁸ Sie soll Unternehmen insbesondere in energieintensiven Sektoren dabei helfen, die eigene Produktion energie- und kosteneffizienter zu gestalten. Für Maschinenbauer, die dies beherzigen, kann eine Energiekrise auch eine Chance bedeuten.
Footnotes:
¹: „“. CNBC. 13. April 2023.
²: „“. CNBC. 21. Juni 2023.
³: „“. Reuters. 29. Juni 2023.
⁴: „“. Financial Times. 29. Juni 2023.
⁵: „“. Clean Energy Wire. 19. Juni 2023.
⁶: „“. Europäische Kommission.
⁷: „“. Clean Energy Wire. 26. Januar 2023.
⁸: „Blue Competence“. VDMA.
Ihr Kontakt
- Thomas Enck
Managing Director