Liquiditätsmanagement in der Corona-Krise
19. März 2020
Schon jetzt ist erkennbar, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Krise für viele Unternehmen zu existenzbedrohenden Krisen führen können. Sie werden mit enorm schnellen, tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert, bei denen bedeutende Umsatzvolumina in kurzer Zeit wegbrechen können. In einer solchen, sich hochdynamisch verändernden Wirtschaftslage ist die exakte Kenntnis der kurzfristigen Liquiditätssituation unerlässlich. Aus unserer Sicht sind deshalb jetzt für jeden Unternehmer oder Gesellschafter drei zentrale Fragen von höchster Relevanz:
- Wieviel Geld habe ich heute zur Verfügung?
- Wie lange reichen meine finanziellen Mittel?
- Wie belastbar ist meine Finanzplanung – auch nach der Krise?
Die Liquiditätslage des Unternehmens muss in dieser Krisensituation eng verfolgt und aktiv gesteuert werden. Wir sehen drei grundlegende Steuerungselemente, um die sich Unternehmen im Rahmen ihres Cash-Managements umgehend kümmern sollten:
- die Aufstellung des gruppenweiten Cash-Status,
- ein faktenbasierter, kurzfristiger Cash-Forecast mit liquiditätsgenerierenden Sofortmaßnahmen,
- sowie Szenario-Planungen zur bestmöglichen Veranschaulichung der ggf. hohen Planungsunsicherheit und zur Schaffung einer Entscheidungsgrundlage für möglicherweise notwendige Maßnahmen.
Sofern es derzeit unternehmensweit noch keine hinreichende Sensibilität dafür gibt, dass Liquidität essenziell für den Fortbestand des Unternehmens ist, empfehlen wir direkt die Einführung eines täglichen Liquiditätsupdates (Cash-Desk, Cash-Call).
1. Kassensturz: Wieviel freie Liquidität habe ich heute zur Verfügung? Der gruppenweite Cash-Status setzt sich i.W. zusammen aus verfügbaren Bankguthaben und vertraglich bestehenden, nicht genutzten Kreditlinien. Durch eine Gegenüberstellung mit den fälligen Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen wird der Liquiditätsdeckungsgrad der Einzelgesellschaften bzw. der Unternehmensgruppe ermittelt. Diese Kennzahl hat in Deutschland große insolvenzrechtliche Relevanz und darf die Untergrenze von 90% regelmäßig nicht unterschreiten, um eine Illiquidität auszuschließen. Dabei gilt es zu beachten, dass sog. „trapped cash“-Mittel nicht in den Cash-Status einbezogen werden dürfen. Das ist etwa dann der Fall, wenn es länderübergreifende Beschränkungen für Kapitaltransfers gibt, die den Zugriff auf liquide Mittel in einer Einzelgesellschaft verhindern. 2. Wie lange reichen meine finanziellen Mittel? Ausgehend vom aktuellen Cash-Status sollte das Unternehmen die gruppenweite Liquiditätsplanung der nächsten zwei bis drei Monate faktenbasiert, d.h. realistisch und belastbar aufstellen. Je nach Unternehmensgröße (gemessen am Umsatzvolumen) und -komplexität (Anzahl der Tochtergesellschaften, gruppenintern verflochtene Liefer- und Leistungsbeziehungen) ist hierbei der Rückschluss zu den wesentlichen Gruppengesellschaften erforderlich, um auch Informationen und Entwicklungen ausländischer Märkte und Tochtergesellschaften in den Cash-Forecast einzubeziehen. Effekte aus Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der Liquidität wie Investitionsstopps sowie die enge Steuerung der Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung (durch zentrale Zahlungsfreigaben) müssen hierbei berücksichtigt werden. Durch stetige Gespräche mit Lieferanten sollten Zahlungsziele genutzt und sofern möglich kurzfristig verlängert werden. Factoring als liquiditätsgenerierende Maßnahme sollte ebenso wie Vorratsbestände auf mögliches Liquiditätspotenzial hin geprüft werden. Sofern Lieferketten zur Aufrechterhaltung der Produktion gefährdet bzw. Auftragsstornierungen der Kunden bereits angemeldet wurden oder sehr wahrscheinlich bevorstehen, ist auch der Umfang der Produktionskapazitäten anzupassen. In der besonderen Situation der Coronavirus-Krise hat der Staat bereits umfassende Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen aller Größenklassen angekündigt. Dazu zählen unter anderem die aktuell erweiterten Möglichkeiten des Kurzarbeitergeldes. Aus diesen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen können sich signifikante, liquiditätsschonende Soforteffekte ergeben. Laufende Zahlungsverpflichtungen aus bestehenden Krediten (Zins- und Tilgungsleistungen) sollten in Abstimmung mit den Gläubigern nicht ernsthaft eingefordert, sondern gestundet werden. Sofern vertragliche Covenants voraussichtlich nicht eingehalten werden können, sollte ein Unternehmen frühzeitig das Gespräch mit den Finanzierern suchen. 3. Wie belastbar ist meine Finanzplanung und wie sieht die Zeit nach der Krise aus? Die Robustheit der Liquiditätsplanung wird durch Szenario-Planungen, d.h. wahrscheinlichkeitsgewichtete positive wie negative Entwicklungen in der Liquidität, erhöht. Von großer Bedeutung sind hier unter anderem negative Abweichungen von erwarteten Einzahlungen aus künftigen Aufträgen, im Klartext: krisenbedingte Umsatzverluste mit entsprechender Wirkung auf die Liquiditätslage. In diesen Szenarien wird eine Bandbreite möglicher Liquiditätsentwicklungen simuliert. Wenn diese Simulationen zusätzlichen Liquiditätsbedarf offenlegen, können sie in der Folge auch in der Kommunikation mit Investoren oder Banken (ggf. unter Einsatz staatlicher Förderprogramme, bspw. KfW-Corona-Hilfe) verwendet werden. Die jederzeit sorgfältige Dokumentation (Cash-Status, Liquiditätsplanung) sowie die erarbeiteten, nachvollziehbaren Analysen sollten nicht zuletzt auch deshalb erstellt werden, um die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit nach Überstehen der Krise einschätzen zu können. Die kurzfristige Planung wird hierbei durch eine mittelfristige Perspektive auf die nächsten beiden Geschäftsjahre ausgeweitet. Unserer Einschätzung nach wird die Antwort auf die Frage der mittelfristigen Zahlungsfähigkeit (sog. positive Fortbestehensprognose) insbesondere bei der Beantragung möglicher Hilfsgelder für Kapitalgeber eine zentrale Rolle spielen.
Welche Herausforderungen für Ihr Unternehmen auch anstehen mögen, Sie müssen sie nicht allein lösen. Sprechen Sie mit uns über Chancen.